Das Erarbeiten von Songs:
Hier ist es wichtig, nicht gleich alles auf einmal in einer Übung zu
versuchen. Es gibt immer drei Ebenen, in denen ein Stück gut funktionieren sollte und die am besten nach einander geübt werden:
- Tonabfolge
- Rhythmik
- Tonformung (Effekte, Dynamik)
Hier kann man wie folgt Schritt für Schritt
vorgehen:
Wenn du dir ein neues Stück erarbeiten willst, schau dir vorerst nur die
Noten bzw. die Tabulatur an oder höre es erst intensiv ein
paarmal durch. Dadurch kann man relativ schnell eventuell zu Übende Passagen herausfiltern. Die Übungsabschnitte sind immer diejenigen, die derzeit schwierig erscheinen.
Üben der Tonabfolge (ohne Rhythmik und Tonformung):
- Übe das Stück nicht gleich von vorn bis hinten durch, sondern pack dir
möglichst kleine Übungseinheiten. Diese übst du am besten erst einmal ganz langsam ein. Geschwindigkeit hat jetzt noch keinerlei Bedeutung und wirkt in diesem Stadium eher kontraproduktiv.
Lieber sehr langsam den Perfektionismus üben.
Es wäre falsch, wie ein Rennpferd gleich
los zu rennen,
eventuelle Fehler nicht zu hören und
einfach zu überspielen.
Frei nach dem Motto, das läuft schon.
- Wenn ein Übungsabschnitt langsam gut spielbar ist, steigere die
Geschwindigkeit immer ein wenig mehr, und zwar nur bis zu dem Limit, an dem die Töne und deren Abfolge ohne stolpern noch deutlich intoniert werden. Ansonsten die Geschwindigkeit leicht zurückfahren,
bis wieder alles gut läuft.
- Sobald schwierige Passagen vorkommen, behandele diese separat, bis sie
flüssig zu spielen sind und seien es nur zwei Töne. Alles sollte perfekt sein.
- Erst wenn die Problemzonen beseitigt sind, spiele das ganze Stück
durch. Dabei ist am Anfang der Rhythmus nicht so entscheidend, sondern vorrangig das fehlerlose Durchspielen der Töne.
Üben der Rhythmik (ohne Tonformung):
- Wenn die Tonabfolge gut funktioniert, kannst du dich dem Rhythmus widmen.
Wenn alles gut läuft, sollte auch hier die Geschwindigkeit immer mehr gesteigert werden, bis du an ein momentanes Limit angelangt bist. Dabei muss aber die Tonabfolge fehlerfrei
funktionieren.
- Um die Rhythmik schnell aufnehmen zu können ist es vorteilhaft, während
man das Stück hört, mit zu summen und ggf. noch zu klatschen. Hierzu braucht man wieder keine Notenkenntnisse. Es ist ein einfühlen in den Song.
- Sehr schwierige Passagen am besten wieder separieren. Das können sehr
kleine Abschnitte von z.B. 2 Tönen sein.
Üben der Tonformung:
- Abschließend müssen die Töne noch zum Leben erweckt werden. Hierzu
bedient man sich der akustischen Effekte und der Dynamik – der Lautstärkeveränderung.
- Beim Einbringen von Effekten müssen die Tonabfolge und die Rhythmik gut
funktionieren. So kann man sich vollumfänglich auf die Interpretation der Töne konzentrieren.
Definition des Limits der Geschwindigkeit im
Spiel:
Das Limit wird dadurch definiert, dass an diesem Punkt noch alles perfekt
spielbar ist:
- keine Missklänge, die den Ton stören
- keine Nebengeräusche
- kein Stolpern bei der Tonabfolge
- kein Problem bei der Rhythmik
- keine Probleme bei der Tonformung
Dann versuche immer wieder, dieses Limit zu überschreiten. Das trainiert
das schnelle Spiel ungemein.
Das wichtigste beim Interpretieren eines Songs
ist immer ein fehlerfreies Spiel bei der Tonabfolge, ein gutes Einfühlen in den Rhythmus und die Gestaltung der Töne in ihrer Entfaltung und
Kombination.
Denkt auch immer daran, dass ihr mit der Musik eine Geschichte
erzählt. Ein guter Erzähler kann sein Publikum durch seine Stimmbildung mit allen Facetten in den Bann ziehen. Mit dem Spiel auf der Harp
ist es ganz genauso.
Um dies bestmöglich realisieren zu können ist es immer wieder
wichtig
- alles was man bis dato gelernt hat in Frage zu stellen, bewusst
gegensätzlich zu üben, um so neue Sounds zu entdecken.
- Stellt auch die Noten, Notenlängen, Pausen etc. bei Songs in Frage,
baut zusätzliche Töne ein, spielt Töne, wo Pausen vorgesehen sind oder Töne länger gehalten werden sollen.
Ein Song kann völlig neu interpretiert werden und sich so von der Masse
abheben. Warum immer so spielen wie alle anderen? Diese Form der Freiheit in der Musik kann man sehr gut im Jazz beobachten.
TIPPS:
Üben der Effekte:
- Hier bitte immer darauf achten, dass der Luftstrom gleichmäßig ist und
sich nur der Teil bewegt, der bewegt werden soll.
- D.h. z.B. beim Üben des Handvibratos muss der Unterkiefer oben sein, die
Zunge liegt in der Ruheposition und es soll ein gleichmäßiger Luftstrom erzeugt werden, also ein gleich lauter Ton.
- Nur so können wir den von dem eigentlichen Effekt erzeugten Klang
hundertprozentig nachvollziehen und somit den Effekt auch erheblich schneller und präziser erlernen.
- Erst wenn jeder einzelne Effekt perfekt läuft, kann eine Kombination mit
anderen Effekten erfolgen.
Bei aufkommenden Fehlern im Spiel:
Wenn eine Übung oder ein Stück geübt wird, ist es wichtig, grundsätzlich
bei allen vorkommenden Fehlern weiterzuspielen bzw. im Spiel direkt eine schnelle Korrektur vorzunehmen. Wichtig ist hierbei, sich alle Fehler zu merken. Diese werden dann im Nachgang des Spiels
einzeln geübt.
Diese Vorgehensweise hat folgende Vorteile:
- beim Vorspiel vor Freunden, Bekannten oder auf der Bühne kann man
trotz Fehler stressfrei weiterspielen
- die eigene Motivation zu üben und spielen wird gesteigert. Ein
ständiges Abbrechen von Songs oder Übungen wegen einem Fehler führt im schlimmsten Fall dazu, das man sich einfach anderen Übungen oder Songs widmet, die einem leichter erscheinen. Es folgt
eine Stagnation im Spiel, es wird langweilig, das Instrument landet irgendwann in einer Ecke und wird vergessen.
- Durch die Fehler ergeben sich zuweilen sehr interessante Klangstrukturen. Deshalb sollten die Fehler auch angehört
werden, um sie ggf. nach der eigentlichen Übung separat bewusst zu üben, wenn sie einen positiven Sound erzeugen, der einem gefällt. So wird das Ausschöpfen des Potentials auf dem Instrument
gesteigert.
Immer nur 1 Sache üben:
- Damit ist gemeint, dass wir z.B. beim Üben des Handvibratos Fehler wie
ein Kratzen im Ton oder Luftgeräusche einfach ignorieren. Hier wird jetzt erst einmal nur eines geübt: die Motorik beim Öffnen und Schließen der Handhaltung und das Hören der Veränderung im Ton. Erst
wenn dies gut läuft, kommt die Detailbetrachtung mit der Korrektur aller Fehler.
- Wenn zwei Sachen geübt werden, wie z.B. die Kombination von
Handvibrato und Mundholraumveränderung, muss zwingend jeder der beiden Effekte gut funktionieren. Denn hier übt man ja nur die Kombination der Effekte und nicht die einzelnen Effektstrukturen.
- Mit dieser Vorgehensweise ist ein schneller Erfolg beim Üben
garantiert, denn nur so ist die Perfektion in der Übung gewährleistet. Je detailverliebter wir die Übungen zelebrieren, umso besser wird das Ergebnis sein. Jeder noch so kleine Erfolg ist ein Gewinn.
Grundsätzliches:
- Wenn etwas Neues probiert wird, kommen meistens automatisch immer
andere Fehler mit dazu, wie z.B. ein kratzender Ton.
- Man wird aber schnell feststellen, dass die Fehler immer mehr
minimiert werden, wenn die eigentliche Übung besser läuft.
- Hierzu ist es immer vorteilhaft, jede Übung und jeden Song auswendig
spielen zu können. Dadurch wird eine interessante Interpretation erheblich schneller und besser realisierbar.
Fazit:
Es wird immer nur eine Sache geübt, nicht zwei oder mehr. D.h., wenn ein z.B. Kehlkopfvibrato am Einzelton geübt wird,
ist es im ersten Schritt vollkommen egal, ob ein Kratzton produziert wird.
Entscheidend ist jetzt nur, die eigentliche Technik des Kehlkopfvibratos zu realisieren.
Das ist schon schwer genug. Wenn jetzt noch versucht wird, einen sauberen Ton zu spielen, ist es zu viel des Guten und
man wird vermutlich an dem Effekt nur sehr zäh vorankommen.
Ein weiteres Beispiel: Die Kombination von mehreren Effekten ist eine Einzelübung, nämlich deren Kombination. Hier
werden nicht mehr die einzelnen Punkte geübt, denn diese sollen ja bereits perfekt laufen.
Der Umgang mit dem leidigen Thema "minimales
Zeitbudget":
- Wenn ihr nur wenig Zeit zur Verfügung habt, teilt sie Euch vorzugsweise
wie folgt ein:
- Zuerst werden die Übungen bearbeitet, die nicht so gut laufen oder noch
eine sehr große Hürde darstellen. Nehmt immer die Problemfelder des letzten Übungslaufes mit in den nächsten Übungslauf.
- Dann kommen Dinge dran, die schon laufen, aber noch verbessert werden
können.
- Zum Schluss sollte immer etwas kommen, das einem richtig Spaß macht, wie
z.B. eine Improvisation, das Zuspiel zu einer CD oder das Spiel eines Songs.
Der persönliche Lerntyp:
- Jeder lernt anders und sollte daher versuchen, den für sich richtigen Weg
für das Üben zu finden. Viele lernen sehr gut mit Bildern oder sogenannten Eselsbrücken, einige müssen das was sie machen erst verstehen, bevor sie es anwenden und wieder andere Spielen einfach nach
dem Try an Error Prinzip und brauchen keine Erklärungsmodelle. Hier ist nichts richtig oder falsch. Einzig wichtig ist hier nur, ob man persönlich mit seiner Lernmethode gute Fortschritte machen
kann.
Hier ein Video als Zusammenfassung des Gelernten:
https://youtu.be/IrqglBPpx5c
Hierzu sind folgende Bücher wärmstens zu
empfehlen:
"Einfach Üben" von Gerhard Mantel, Schott Verlag,
Taschenbuch
ISBN: 3-7957-8724-6
Der Autor - ein klassischer Cellist - zeigt in diesem Buch sehr
eindrucksvoll, wie man die klassischen Wege beim Üben, aber auch interpretieren eines Stückes verlassen kann. Eine absolute Perle zum Thema und unbedingt empfehlenswert.
"Handbuch zum Üben" von Ulrich Mahlert (Herausgeber), Verlag Breitkopf &
Härtel, ISBN: 3-7651-0314-4
Dieses Buch vereinigt die Sichtweise verschiedener
Musik-professoren zum Thema Lernen. Hier wird garantiert jeder seinen Lerntyp kennenlernen. Genial für jeden Musikinteressierten, aber auch generell für alle, die des Öfteren mit dem Thema Lernen
konfrontiert werden. Sehr empfehlenswert, allerdings ist dieses Buch eher für Pädagogen konzipiert und daher nicht so leicht zu lesen. Dennoch, 400 Seiten mit sehr guten und hilfreichen Sichtweisen
zum Thema.
Hier ist ein Beispiel für einen Übungsplan: